Aufnahmen von Musik in erweiterter Tonalität?
Nach Konzerten und bei anderen Gelegenheiten werden Mitglieder des Fördervereins oft von interessierten Musikfreunden nach Tonaufnahmen von Musik in erweiterter Tonalität gefragt. Dabei wird das Bedürfnis oder der Wunsch geäussert, sich die neuen Kompositionen mit den oft ungewohnten Intervallen und Klängen zu Hause in aller Ruhe und vielleicht mehrmals anhören zu wollen. Solche Äusserungen sind verständlich, weil im heutigen Musikleben Aufnahmen zu einem wesentlichen und selbstverständlichen Bestandteil geworden sind und auch niemand bestreiten wird, dass Aufnahmen zur Information und zum Studium ein sehr wertvolles Hilfsmittel sein können. So gesehen tut es uns vom Förderverein immer leid, den ehrlich Interessierten enttäuschen zu müssen mit der Auskunft, dass von dieser neuen Musik so gut wie keine Aufnahmen existieren, weder im Handel noch private Aufnahmen. Und dies mit Absicht. Dafür ist man allerdings eine Erklärung schuldig. Wie zu einem vollen Ton-Erleben im Wesentlichen drei Schichten gehören, hat Heiner Ruland wiederholt dargestellt: 1. Der Schall als die hörbare äussere Erscheinung, der Leib des Tones, 2. das Lautartige als seine seelische Nuance und 3. der «Geist» des Tones, das eigentlich Musikalische des Tones als das, was man nach innen hört, das äusserlich unhörbare geistige Wesen des Tones. Durch die immer feinere Aufnahme- und Wiedergabetechnik und deren omnipräsenten Einsatz haben die Menschen die Neigung entwickelt, die drei genannten Schichten zu verwechseln, sich mit den rein hörsinnlichen Schallwahrnehmung mehr oder weniger zufrieden zu geben und das Geistige vom Schall-Leib abzuspalten. Im Sinne des musikalischen Erneuerungsimpulses, der mit der Erweiterung des Tonerlebens innig verbunden ist, besitzt aber der musikalische Ton – wie der Mensch – Geist-Seele-Leib als Einheit. Es wird zurecht gesagt, dass man «mit dem richtigen Bewusstsein» die Vorteile der technischen Medien durchaus vernünftig nutzen könne. Dem darf hinzugefügt werden: Dieses Bewusstsein ist aber vielleicht nur solange «richtig», wie es mit einem bestimmten seelischen Schmerz verbunden ist, der sich bei einer Sensibilisierung im Umgang mit elektroakustischen Wiedergaben melden kann. Heiner Ruland hat einmal in Kürze Grundsätzliches zur technischen Reproduktion seiner Musik zusammengefasst: «Musizierend einen Ton- und Intervallgestus zu vollziehen., wie ihn meine Musik im erweiterten Tonsystem verlangt, ist für den, der wirklich in ihr lebt, ein so nicht wiederholbares Ereignis. Dabei sind Ton-Hervorbringen und Ton-Erleben untrennbar verwoben, beides miteinander folglich auch nicht reproduzierbar. Davon lebt diese Musik. Und es wäre ihr Tod, würde sie nicht immer einmaliges Ereignis bleiben – sozusagen «Event» wie eine «Demo», eine «Love parade» meinetwegen , wo man Aufnahmen höchstens für polizeiliche Zwecke macht, aber eigentlich nicht, um das Ganze hinterher als Souvenir, als akustisches «Abziehbilchen» nochmal bei sich im Wohnzimmer zu haben.»
Mit der Bitte um Einbeziehung dieser grundsätzlichen Bedenken und Vorbehalte werden zur ersten Orientierung über die Grundlagen der erweiterten Tonalität im Folgenden einige Übungen wiedergegeben sowie eine Anzahl Kompositionen (z.T. nur Ausschnitte) von Heiner Ruland (1935-2017) und Johann Sonnleitner (*1941).
Kompositionen
- Das Hohenfrieder Orgelheft (auch: die Wochentage) von Heiner Ruland, auf der Orgel gespielt von Johann Sonnleitner
- die Studie in den Schlesinger’schen Tönen von Heiner Ruland, auf der Orgel gespielt von Helene Ringgenberg
- Die Nacht der Künste von Heiner Ruland, gespielt von Oskar Peter, Traversflöte und Johann Sonnleitner, Cembalo