Förderverein

Häufige Fragen

Handelt es sich bei Musik in erweiterter Tonalität um „Vierteltonmusik“?

Nein. Musik in erweiterter Tonalität hat mit Bestrebungen Musik, bei denen der Halbton in Viertel-, Fünftel-, Sechstel-oder Zwölfteltöne aufgesplittert wird, nichts zu tun. Bei mikrotonalen Bestrebungen wird die Erweiterung des Tonsystems als gesteigerte Expressivität verstanden, bei der Musik in erweiterter Tonalität geht es um das objektive Erlauschen von Ur-Intervallen, die einerseits in der Gesetzmässigkeit der physikalischen Naturtonreihe veranlagt sind, andererseits das Geheimnis der seelisch-geistigen Entwicklung des Menschen in sich bergen.(Siehe: „Tonsysteme als Spiegel der menschlichen Bewusstseinsentwicklung“)

Wozu dann Klaviaturen mit 24 „Viertelton-Tasten“ pro Oktave auf den neu entwickelten Klavichorden, Cembali, Orgel, Multi-Tuning-Akkordeon etc.?

Die Aufteilung der Oktave in vierundzwanzig Stufen hat sich in der Praxis bewährt als ein „Raster“, der fein genug ist, einerseits die Intervallqualitäten (Naturquart, -sext und – septim) auch in sanft temperierter Form zu erkennen und andererseits auch enharmonisch verwandelbar zu machen.

Wie notiert man die differenzierten Töne?

Musik in erweiterter Tonalität bedient sich weitgehend der herkömmlichen Notation mit ihren Versetzungszeichen (Kreuz, Be und Auflösungszeichen). Zusätzlich werden folgende bereits von Tartini und Fokker gebrauchten Versetzungszeichen verwendet.

Viertelton-Erhöhung
Dreiviertelton-Erhöhung
Viertelton-Erniedrigung
Dreiviertelton-Erniedrigung

Zu bemerken ist aber, dass diese Zeichen für Sänger und Melodie-Instrumentalisten nur als ungefähre Intonationshinweise gelten. Aus dem musikalischen Zusammenhang ist erkennbar, ob sich das Versetzungszeichen auf eine Naturseptim, -sext oder-quart bezieht und demgemäss vom exakten „Viertelton“ abweichend intoniert werden kann. Der Viertelton-Raster ist angebracht auf Tasteninstrumenten. Aber auch auf diesen sind – wie in historischer Musikpraxis – lebendige Modifikationen gebräuchlich.

Die zwölftönige wohltemperierte Stimmung und deren vierundzwanzig-tönige Erweiterung nach Johann Sonnleitner

Über den verschiedenen Charakter der zwölf Dur – und Moll-Tonarten in tonaler Musik und wie dem durch eine ungleichschwebende Temperierung auf Tasteninstrumenten zu entsprechen ist, existieren viele Quellen und Interpretationen. Allen gemeinsam ist die Polarität von Tonarten mit Bevorzugung von Vertikal- oder Horizontal- Klängen. Je näher die Dur-Terz der natürlichen Proportion 4:5 kommt, desto „geerdeter“ und harmonischer wirkt sie , je näher die grosse Terz der pythagoräischen Intonation aus vier aufeinander getürmten reinen Quinten kommt, desto mehr gewinnt sie an horizontaler melodischer Strebekraft.

Um erstens dieser Polarität von Vertikal- und Horizontal-Klängen, von Harmonie- und Melodie-Bevorzugung, zweitens der gesetzmässig zu- und abnehmenden Spannung innerhalb des Quintenzirkels gerecht zu werden und drittens die Stimmlegung für einen einigermassen geübten Stimmer praktikabel zu machen, wird bei der Wohltemperierten Stimmung nach Johann Sonnleitner mit drei Arten von Quinten gearbeitet:

  1. Drei reine Quinten werden zwischen Fis –Cis – Gis(As) – Es gelegt,
  2. Sechs „normal“ temperierte Quinten (minus 1/12-Komma)
    zwischen A – E – H – Fis
    und zwischen Es – B – F – C und
  3. Drei enger temperierte Quinten (minus 1/6-Komma)
    zwischen C – G – D – A.

Diese Temperierung kann auf einem elektronischen Stimmgerät mit Abweichungen von der gleichschwebenden Temperierung in Cent-Werten folgendermassen dargestellt werden:

  • A , E, H und Fis: 0 Cent
  • Cis und D: plus 2 Cent
  • As und G: plus 4 Cent
  • Es, B, F, und C : plus 6 Cent

In dieser Temperierung nimmt die Spannung der Dur-Terzen in den Tonika-Akkorden von C-Dur auf dem Weg über die Kreuz-Tonarten in Richtung Fis-Dur graduell zu. Die Aussen-Spannung der Dominant-Klänge ist jeweils um einen Grad höher als die Tonika-Klänge und um zwei Grade höher als die Innenspannung der Subdominant-Klänge. Umgekehrt verhalten sich die Spannungs-Verhältnisse auf dem Rückweg über die Be-Tonarten in Richtung zum tonsystemlichen Zentrum C-Dur. Was für die Dur-Tonarten gilt, trifft auch für die Molltonarten zu. Diese Art der Temperierung gewährleistet eine gesetzmässig hintergründete und klanglich deutlich wahrnehmbare Tonarten-Charakteristik, die im Einklang steht mit historischen Beschreibungen.

Die vierundzwanzig-tönige Erweiterung basiert auf dem oben dargestellten Prinzip. Erweitert wird dieser zwölftönige Quintenzirkel, indem von jedem der Grundtöne aus eine reine Natur-Quarte 8:11 (Alphorn-Fa) eingestimmt wird. Die so gewonnenen Töne werden auf zusätzlichen Obertasten gespielt. Durch die Einstimmung der zwölf Alphorn-Fa’s, die nur ein Cent über der vierteltönigen Teilung liegen, überträgt sich die lebendige Differenzierung der Tonarten-Charaktere auch auf den 24-tönigen Zirkel aus Naturquarten. Mit diesem Vorrat an Tönen ist es möglich, die siebengliedrigen Dur- und Moll-Skalen der Musik erweiterter Tonalität in feiner Differenzierung zu musizieren.